Gebisslose Trensen und Kappzäume werden oft zu eng verschnallt.
Die Diskussion um Sperrriemen bleibt aktuell. Zurecht! Nur geht dabei unter, dass der zu fest zugezogene Sperrriemen allein nicht das Problem ist. Schon vor einigen Jahren untersuchten Kathrin Kienapfel und Holger Preuschoft das Verschnallen von Nasenriemen und Sperrriemen. Ergebnis: es ist unerheblich, ob der Sperrriemen oder der Nasenriemen fest angezogen ist. Maßgebend ist der enger verschnallte Riemen.
Das bedeutet im Umkehrschluss: Ist kein Sperrriemen vorhanden, muss der Nasenriemen so locker sein, dass das Pferd kauen kann. Ergo gilt die 2-Finger-Regel auch für Trensen ohne Sperrriemen, für gebisslose Trensen und den Kappzäume.
Ein Pferd, das sich im Kiefergelenk festhält oder festgehalten wird, kann nicht locker im Genick sein. Ohne lockeres Genick: kein lockerer Rücken. Dafür sorgen die Muskelketten. Dies ist nun keine neue Erkenntnis. Von der HdV 12 bis zu den FN-Richtlinien und Reitweisen-übergreifend: hier gibt es keine zwei Meinungen. Auch die alten Reitmeister wussten: Das Pferd muss kauen können!
Nur ist scheinbar die wirkliche Bedeutung dieser Worte und auch deren Umsetzung etwas Anderes.
Losgelassenheit – am Kappzaum und auf die richtige Verschnallung achten
Man muss sich das wirklich verdeutlichen: Das Pferd wird aufgefordert, taktvoll, losgelassen und schwungvoll zu laufen. Es kann der Aufforderung nicht, oder nicht lange, nachkommen, wenn es nicht kauen kann. Um es mit den Worten von Gerd Heuschmann zu sagen: „Jedweder Widerstand am Genick macht den Zugang zum Rumpf unmöglich!“. Und das gilt auch am Kappzaum oder mit gebissloser Trense.
Sowohl unter dem Reiter, als auch an der Longe: immer werden die Pferde unter ihren Möglichkeiten laufen und immer wird es körperliche und seelische Probleme nach sich ziehen.
Auch am Kappzaum kann die Psyche leiden
Abgesehen von den körperlichen Konsequenzen (siehe Kasten unten): Wie steht es um die Psyche?
Das Pferd würde vielleicht tun, was wir möchten. Kann aber nicht. Für Pferde ist das frustrierend. Zumindest anfangs teilen sie uns das noch mit. Der eine lauter, der andere leiser. Das Pferd sagt „ich kann nicht“, der Mensch hört oft „der will nicht“ oder geht anderweitig auf Ursachen-Suche.
Fazit
Zum Weiterlesen eine sehr interessante Studie, die hier von ProPferd.at kurz auf Deutsch zusammengefasst wurde.
Folgen zu eng geschnallter Zäume
- Schluckbeschwerden (Pferde speicheln stark)
- Der vermehrte Speichel im Maul kann zu vermehrtem Stress führen
- Reizung von Nerven (je nach Lage des zu eng geschnallten Riemens). Dies kann zu Schmerzen führen, insbesondere bei der gefürchteten Trigeminus-Neuralgie.
- Verwerfen, Kopfnicken/-schütteln bis hin zum Headshaking
- Blockieren von Meridianen mit vielschichtigen Folgen
- Verletzungen im Maul, wenn die Schleimhäute an die Zähne gepresst werden
- Schmerzen im Maul, vornehmlich bei jungen Pferden, die sich im Zahnwechsel befinden
- Zähne knirschen, blaue Zunge. Pullen gegen das Gebiss. Zügel aus der Hand ziehen
- Festgehaltenes Genick durch festgehaltene Kiefergelenke: führt zu wiederkehrenden Blockaden an den Halswirbeln und als Kompensation in Folge zu weiteren Blockaden
- Festgehaltener Rücken. Das Pferd wird schwer zu sitzen. Erschwerte Lastaufnahme mit Auswirkungen auf den gesamten Körper
- Pferde rennen. Oder sie laufen verhalten mit wenig Untertritt
Bei Dr. Kathrin Kienapfel gibt es weitere wissenschaftliche Publikationen, auch zum aktuell diskutierten Aufrollen des Pferdehalses.
Maulfreiheit Teil 2
Man kann viel schreiben. Aber selber zu fühlen ist etwas anderes. Daher gibt es in Teil 2 dieser Serie den „Live-Mitschnitt“ eines Selbstversuchs. Lustig und erschreckend zugleich – und für jedermann/frau zum Nachturnen! In Teil 3 erklären wir dann, wie ihr überprüft, ob das Pferd ausreichend Maulfreiheit hat.